Sonntag, 29. September 2013
Denken umsonst...
In den letzten Jahren jammert man in Deutschland wieder groß herum, dass das einstige Land der Dichter und Denker kaum noch von eben diesen hat. Dennoch kleben wir uns zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit dieses früher mal verdiente Abzeichen an.
Naja, mit den Denkern, das bekommen wir vielleicht noch hin, zumindest in Bereichen, in denen das Denken etwas Vermarktbares zur Folge hat.
Und damit sind wir auch schon am Kern des Problems. In allen Lebensbereichen wird mittlerweile immer nach dem direkten Nutzen gefragt. So gut wie nichts ist von diesem Denken ausgenommen. Man kann in diesem Land nicht leben, wenn man sich nicht an diese Regeln hält, die mittlerweile andere – höhere - Werte ersetzt haben.
Können sie sich vorstellen, dass man vom Dichten und Denken leben kann?
Kann man nicht. Wenn man mal von der einen oder anderen Ausnahme absieht.
Glauben Sie denn, dass jemand seine Zeit mit Dichten und Denken verbringen möchte, wenn er dadurch nichts als Nachteile hat? Nicht wirklich, oder? Und die, die es trotzdem tun, fristen ihre kreative Zeit unter dem Existenzminimum.
Schuld daran ist also nicht unser Schulsystem – zumindest trägt es nicht die Hauptschuld -, sondern die Verschiebung unserer Werte. Es geht immer nur um den direkten Nutzen. Spielt keine Rolle, ob in einem Unternehmen oder in politischen Parteien – übrigens völlig egal, welcher Richtung -, Geld ist der Maßstab, der alles bestimmt. Und wir alle glauben, das müsste alles genau so sein, wie es jetzt gerade ist.
Schon dumm, dass damit Dichter und Denker verschwinden, die „nur“ diese Talente haben, die ihnen niemand vergüten will, denn es bringt ja keinen Nutzen.
Dichter, Denker und Philosophen muss man sich leisten wollen. Und wenn man sich damit und mit einem Prädikat „Land der Dichter und Denker“ schmücken will, dann muss man auch bereit sein, dies – auch finanziell – möglich zu machen. Das bedingungslose Grundeinkommen zum Beispiel – um nur mal eine Möglichkeit zu nennen – würde vielen Menschen Raum und Mittel geben, in dieser Richtung tätig zu sein. Natürlich werden damit nicht nur Goethes und Schillers entstehen, aber es ist ja auch nicht jeder Manager gut im Umgang mit Geld und nicht jeder Politiker gut im Umgang mit der Demokratie.
Es gab eine Zeit, zu der gab es zugegebenermaßen auch arme Poeten, in der aber Fürsten, Könige, Herzöge, Kaufleute und später auch Unternehmer und Großindustrielle sich den Luxus leisteten, verschiedene Künstler zu unterstützen, zu finanzieren. Einen direkten Nutzen – im Gegensatz zum heute eher bekannten Sponsor, der dies nur tut, wenn er einen Nutzen erwarten kann - hatten diese Mäzene meist auch nicht. Aber sie konnten sich mit den Künstlern, ihren Leistungen sowie ihrer eigenen Großzügigkeit schmücken. Sich etwas leisten zu wollen ist eben eine Entscheidung. Heute gibt es das in dieser Form eigentlich nicht mehr. Dabei gibt es mehr Menschen, die sich so etwas leisten könnten, als jemals zuvor in der Geschichte. Aber auch unser Staat – und damit wir alle – haben entschieden, uns andere Dinge zu leisten. Oftmals fragwürdige, aber ertragreiche Dinge. Entweder überdenken wir dies und unser aktuelles Wertesystem oder wir hören auf, darüber zu jammern, dass es in Deutschland immer weniger Dichter und Denker gibt. Warum sollte auch jemand Dichten oder Denken hauptberuflich, wenn sein Denken umsonst bleibt – in mehrfacher Hinsicht. Andreas Lauer

... comment