Mittwoch, 15. August 2012
Wo kommen wir her?
Natürlich wissen wir, wo wir herkommen. Naja, zumindest so ungefähr.
Und wir glauben gerne, dass wir diese Zeit weit, weit hinter uns gelassen haben.
Und doch tragen wir – trotz aller körperlichen, geistigen, emotionalen und spirituellen Entwicklung – immer noch das Erbe unserer Vorfahren in uns, das uns oft genug beeinflusst, oft zum Vorteil, manchmal auch zum Nachteil.
Und so schlecht ist unser Erbe nicht. Die Menschheit definiert sich zwar gerne über das, was sie bis heute erreicht hat, über das, was sie gerade ist. Aber unsere Vergangenheit gehört auch dazu. Die Zeit, als der Mensch begann, sich vom Tier zu unterscheiden. Der aufrechte Gang, die Bildung von sozialen Strukturen, die Zähmung des Feuers, der Glaube an höhere Wesen.
Alles Dinge, die wir auch heute noch aufzählen, wenn wir jemandem erklären müssen, warum wir uns vom Tier unterscheiden. Und auch alles Dinge, die auch in unserem heutigen Leben eine Rolle spielen und manchmal sogar – zumindest gefühlt - in ihrer archaischen Form an die Oberfläche kommen.
Wer würde zum Beispiel vermuten, dass hinter der alljährlich wiederkehrenden Grillsaison sehr viel unserer Entwicklungsgeschichte steckt. Für die Zeit eines Grillabends werden wir mit den besten Eigenschaften konfrontiert, die unsere Vergangenheit zu bieten hat.
Und es beginnt schon vorher. Der Mann, sonst eher ein Einkaufsmuffel, kümmert sich um das „Erjagen“ des Fleisches – beim Metzger seines Vertrauens. Natürlich nicht, ohne sich vorher mit anderen Jagdkollegen des Stammes über das beste Fleisch für den Grill zu unterhalten. Frauen wundern sich immer wieder, wie Wesen wie der Mann, die Essen meist nur in der fertig zubereiteten Form kennen, auf einmal zu Experten der Fleischauswahl, der Fleischvorbereitung und der Fleischzubereitung mutieren.
Die Frauen sorgen dann meist für den Beitrag des Sammlers - Salat, Gemüse und Brot. Schließlich – so die Meinung – sollte man sich nicht einseitig ernähren und Fleisch allein ist keine vollständige Mahlzeit. Männer sehen das meist ganz anders. Für sie geht es beim Grillen ums Fleisch, um die sozialen Kontakte im Stamm und um Geschichten am Feuer.
Während Frauen den Tisch decken und Kopf schüttelnd ab und an zu ihren Männern hinüber schauen, stehen diese meist eng um den Grill, auf die wabernde Lebendigkeit der Glut oder das über dem Feuer garende Fleisch starrend, mit einem berauschenden Getränk in der Hand, meist Bier, aber auch Weinschorle in unserer Gegend.
Dort wird der Mann dann – im besten Sinne – wieder zum Frühmenschen, jener unserer Vorfahren, der abends am Feuer, den Geruch des bratenden Fleisches in der Nase, wusste, dass er und sein Stamm wieder einen Tag überlebt haben.
Frauen mögen es belächeln, aber diese Momente am Feuer, am Grill, lassen im Mann diese uralten Gefühle hochkommen, die ihn spüren lassen, was es bedeutet, Mann zu sein. Und deshalb, liebe Frauen, wundern sie sich nicht mehr, dass sie ein tiefes Knurren ernten, wenn sie Gemüse auf den Grill legen. Es stört einfach in diesem Moment das Bild, die Erinnerung der Männer an ein Feuer vor vielen tausend Jahren, um das man sich nach erfolgreicher Jagd versammelt hatte. Und genauso alt ist auch dieses Knurren.
Und so lasst uns unser Getränk erheben, in Würdigung derer, die uns diese herrliche Tradition beschert haben, die wir heute so beiläufig Grillen nennen - unsere Vorfahren, die so weit von uns entfernt sind und doch so nah.
Andreas Lauer

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